Steuersystem
Wer sich freut dem kompliziertesten Steuersystem der Welt aus Deutschland zu entfliehen, der kommt leider vom Regen in die Traufe. Vermutlich hat Brasilien gute Ambitionen für Platz 2. Ein objektiver Vergleich ist natürlich schwierig, doch brasilianische Steuergesetze sind komplex, bieten aber andererseits eine ganze Menge Optionen und „Lücken“.
Wer in Brasilien ein Unternehmen eröffnet hat grob drei Möglichkeiten seine Steuer zu berechnen: eine klassische Eingaben-Ausgaben Gewinnermittlung mit Versteuerung des Gewinns abzüglich der Ausgaben, der „lucro real“. Oder die Methode des „lucro presumido“, bei der ein festgesetzter Betrag vom Umsatz versteuert wird – unabhängig von den Ausgaben und Kosten.
Der teils im Internet oder diversen Ratgebern kommunizierte Steuersatz von 27,5% in Brasilien macht wenig Sinn – das Ganze hängt von diversen Faktoren ab und mit dem „lucro presumido“ zahlt man häufig deutlich weniger, bei bestimmten Unternehmen bzw. Produkten unter 4%. Es gibt zahlreiche Unternehmensmodelle und Optionen, weshalb ich dringend anrate einen guten (Steuer-)Berater VOR Gründung eines Unternehmens zu Rate zu ziehen. Für die Bewohner des Bio-Dorfs vermitteln wir da gerne.
Für Freiberufer, Einzel- und kleine Unternehmen gibt es eine dritte vereinfachte Steueroption: „Simples Nacional“. Diese wird aufgrund des jährlichen Bruttoumsatzes berechnet – für verschiedene Unternehmens- und Einkommenstypen aber unterschiedlich. Die Simples Nacional gilt aber nur für jährliche Umsätze bis max. 4,8 Mio R$ ( ca. 880.000 €), was erst einmal verdient sein will. Für Freiberufler und Einzelunternehmer, die bestimmte Dienstleistungen oder Beratungen erbringen liegt der Steuersatz bei attraktiven 6 – 13%. Bei Dienstleistungen, die im Ausland (oder online für Ausländer) erbracht werden und über ein brasilianisches Konto bezahlt werden sind sogar Steuersätze von 3 - 10% möglich. Für deutsche Kunden gibt es aber durchaus die Möglichkeit das Ganze über eine Inlandüberweisung mit IBAN oder SEPA abzuwickeln, so dass Kunden keine AUslandsüberweisungen vornehmen müssen. Übrigens sind auch die Kosten für den Steuerberater beim System „Simples Nacional“ deutlich niedriger als bei den „klassischen“ Steuerarten – ganz abgesehen davon, dass in Brasilien Steuerberater sowieso günstiger sind als in Deutschland.
Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Brasilien wurde von Deutschland 2005 aufgekündigt. Das bedeutet also, dass versteuertes Einkommen nicht ohne Weiteres steuerfrei nach Brasilien transferiert werden kann. Es gibt aber verschiedene Mittel und Wege, um sein Geld offiziell über die brasilianische Zentralbank (die alle internationalen Geldtransfers überwacht) steuerfrei nach Brasilien zu bringen. Kleinere Summen bis 10.000 Dollar sind über diverse Finanzdienstleister (Kreditkarten, Bargeld, wise u.a.) sowieso kein Problem, Land- und Immobilienkauf sowie die Kapitalisierung des eigenen Unternehmens (oder Unternehmensbeteiligung) sind weitere Optionen.
Eine andere Konsequenz der Aufkündigung des Doppelbesteuerung-Akommens ist, dass es keine Zusammenarbeit zwischen deutschen und brasilianischen Steuerbehörden gibt. Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt. Möge jeder seine eigenen Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Geben und Nehmen
Ich möchte an dieser Stelle aber noch etwas loswerden, was mit bei so einigen Auswanderungs-Ratgebern und in Chats zum Thema Auswandern aufgefallen ist. Dort werden Länder zum Auswandern gesucht, wo man möglichst keine Steuern zahlen muss. Ok, wer jahrzehntelang in Deutschland mit über 50% Steuern und einer Gesamtsteuerlast von 70-80% vom Staat ausgebeutet wurde ist da vielleicht traumatisiert. Aber was für eine Haltung ist das denn, in einem Land leben zu wollen und nichts zu bezahlen für Straßen, öffentliche Ordnung, Infrastruktur etc.? Ich finde das egoistisch und asozial. Dass Steuern auch für Korruption, sinnlose Verwaltung und anderes, was man nicht unterstützen will ausgegeben werden ist wohl überall so. Aber wenn man in ein Land einwandern will, so sollte man mehr geben als nehmen wollen. Da ist meine Haltung dazu und deshalb haben wir viele Freunde und einen guten Ruf in der Region. Wir schaffen einige gut bezahlte Arbeitsplätze, regeniereren die Natur, unterstützen ärmere Familien und zahlen unsere Steuern. Früher hieß die Steuer „der Zehnt“, der an den König oder Herzog gezahlt wurde. Zumindest diese Größenordnung halte ich für angemessen und zahle sie auch gerne für die regionale Gemeinschaft hier. 10% zahlt man übrigens in Brasilien auch (automatisch) in jedem Restaurant und Hotel für die Angestellten als Trinkgeld.
Wichtiger Hinweis: Da hier keine Steuerberatung und auch keinerlei Handlungsempfehlungen gegeben werden können bitte ich diese Informationen als Orientierung zu betrachten und auf jeden Fall mit einem brasilianischen Steuerberater oder Anwalt zu überprüfen. Jegliche Haftung bei falschen Informationen lehne ich ab.