Kultur
Die Brasilianer pflegen ihre eigene, ganz besondere Art, das Leben zu meistern: mit viel Gelassenheit, Freude sowie Gastfreundlichkeit. Sie zeichnen sich durch eine offene, neugierige und kommunikative Art aus. Trotz mancherorts sozialer und finanzieller Schwierigkeiten und Unterschiede scheinen die Menschen hier das Leben mit Leichtigkeit und Optimismus zu nehmen - für alle Probleme gibt es ein "jeitinho", eine Lösung. Und ein Lieblingsspruch heisst: "Vai dar certo." - etwa: wird schon werden.
„Den“ Brasilianer gibt es dabei allerdings nicht, genauso wenig wie „den“ Europäer. Das Land und seine Kultur spiegelt den Einfluss durch Ureinwohner, afrikanische Sklaven und weltweite Einwanderer wider. Es gibt in Brasilien eine äußerst vielfältige Kunst- und Handwerkskultur, sowohl in den Städten wie auf dem Land. Zahlreiche kunsthandwerkliche Produkte für den Alltag wie Möbel aus ganzen Baumstämmen, Spiegel aus Baumscheiben, Lampen aus Fischschuppen, geflochene und gewebte Teppiche und vieles mehr werden überall angeboten. Dabei ist der Übergang zu echten Kunstwerken eher fliessend. Wer mit offenen Augen herumläuft findet in Städten wie Dörfern viele solcher Kunstwerke.
Persönlich und warmherzig
Wer in ein Geschäft kommt wird meist persönlich von einer Verkäuferin oder Angestellten begrüßt und nach seinem (Vor-)Namen gefragt. Dann stellt sich der Verkäufer mit Vornamen vor und bietet seine Unterstützung beim Einkauf an. Ich war aufgrund intensiver Bautätigkeit in vielen Baumärkten und Zulieferfirmen unterwegs - da fällt einem der Unterschied zu Deutschland besonders krass auf, denn dort man muss sich schon anstrengen einen Verkäufer zu finden und dann oft hartnäckig und geduldig sein, um eine Beratung zu bekommen. Ein Verkäufer, der einen den ganzen Einkauf lang begleitet und auch danach noch per Whatsapp betreut gibt es in Deutschland nicht. Natürlich erhält er eine Verkaufsprovision, aber der persönliche Kontakt ist eben ein wesentlicher Bestandteil. Das Ansprechen mit Vornamen selbst bei Unbekannten am Telefon ist schon ungewöhnlich. Wer mehrmals mit jemandem einen angenehmen Kontakt - auch mit etwas Smalltalk - hatte wird verbal umarmt, als Freund oder sogar mit "meu irmao" (mein Bruder) angesprochen. Überall gibt es einen persönlichen Service wie beim Tanken (Selbsttanken gibts hier nicht), Sachen an der Kasse einpacken oder ins Auto tragen. Die Menschen hier sind auffällig aneinander interessiert und fragen einen gern neugierig aus. Manchmal oberflächlicher als in Deutschland, aber doch stets sehr freundlich und zugewandt.
Musik
Es gibt eine sehr reiche und vielfältige Kunst- und Kulturszene, viele Musikrichtungen und Stile, die privat wie kommerziell praktiziert werden. Überall findet man eine lebendige Musikkultur und Tanz auf der Straße, in Bars, Restaurant und am Strand - quer durch alle Gesellschaftsschichten. Es gibt die unterschiedlichsten Musikrichtungen: traditionell brasilianisch sind Samba, Bossa Novo, MBP (Musica Brasileira Popular), Frevo, Forró, Axé und noch einiges mehr - regional ausgeprägt. Man hört Live-Musik in Städten wie Dörfern und in Restaurants ist Live-Musik keine Seltenheit: von professionallen Bands über engagierte Solokünstler oder Duos bis hin zu spontanen Jam-Sessions. Musik wird überall gespielt und nicht nur konsumiert, also die Musikkultur ist lebendig - von jung bis (sehr) alt. Denn Brasilianer feiern gerne und ausgiebig – das Klichee stimmt wirklich. Der brasilianische Karneval ist weltberühmt, vergleichbare Feste gibt es aber das ganze Jahr über in kleinerem Stil. Eine grosse Vielfalt findet man übrigens auch in den Religionen und Naturreligionen wieder. Gelebte Toleranz ist das Motto in diesem Land.
Sprache
Die Landessprache in Brasilien ist Portugiesisch, übrigens mit wenig ausgepägten Dialekten. Das macht es leichter, wenn man etwa an deutsche Dialekte denkt. Englisch sprechen viele Menschen in der Großstädten sowie die gebildete obere Mittel- und Oberschicht. Die einfache Bevölkerung aber kaum.
Das brasilianische Portugiesisch unterscheidet sich vom Portugiesischen in Portugal durch einfachere Grammatik, einfachere Aussprache und in der Regel einfachere Satzkonstruktionen. Im Gegenteil zu vielen afrikanischen, arabischen und asiatischen Sprachen, Russisch, Griechisch oder Ungarisch ist Portugiesisch leicht zu lernen. Sogar die Buchstaben sind mit dem Deutschen praktisch identisch. Brasilianer reagieren in der Regel sehr positiv, wenn man sich bemüht Portugiesisch zu sprechen, was sehr motiviert. Wer auswandert muss aus meiner Sicht die Sprache lernen und sollte den Anspruch haben diese auch irgendwann genauso gut wie Deutsch zu beherrschen. Ansonsten bleibt er immer ein Fremder in Brasilien.
Unsere Kinder wachsen hier zweisprachig auf, was ihr kognitive, kreative und soziale Entwicklung sehr fördert. Schon nach einem Jahr nehmen sie problemlos überall teil und haben brasilianische Freunde.
Brazilian Jiu Jitsu, Capoeira, Fussball, Volleyball, Surfen, Reiten ...
Was soll diese Aufzählung? Dies sind Aktivitäten, die man in Brasilien, vor allem hier in Ceara auf dem Land gut praktizieren kann. Denn sie gehören zur brasilianischen Kultur und es gibt ausgezeichnete Lehrer. Ein Beispiel: selbst in "unserem" kleinen Fischerdorf gibt es einen guten Jiu Jitsu und MMA-Lehrer, die Kinder nehmen zweimal wöchentlich am Unterricht teil. Brazilian Jiu Jitsu, Capoeira und MMA sind Kampfsportarten, die in Brasilien weit verbreitet sind und für die es ausgezeicnete Lehrer gibt. Genauso gehören Fussball, Volleyball und Foot-Volley, Surfen und Reiten mit zur brasilianischen Kultur - jung und alt praktizieren diese Sportarten in den den Städten wie in den Dörfern- teils auf sehr hohem Niveau. Und regional gibt es noch andere Angebote wie Kiten oder Motocross hier in den Dünen, was schon die Kinder erlernen. Auch hier gilt: als Auswanderer bietet es sich an die regionalen Angebote zu nutzen und neue Sportarten zu erlernen anstatt stur an Bekanntem festzuhalten.
Flirten ist Lebensfreude pur
Ich trainiere als Trainer und Coach in Deutschland mit Männern Flirten und Ansprechen von Frauen. Denn deutschen Männern ist durch 50 Jahre Feminismus das Flirten abtrainiert und die Angst vor Frauen anerzogen worden. Und immer mehr Frauen sind gar zu Männerhasserinnen mutiert und sind nicht mehr bereits die feminine Rolle bei einem Flirt überhaupt nur zu verstehen, geschweige denn mitzuspielen. Deutschland ist mittlerweile eine Flirtwüste. Ich habe bereits mehrere Polizeieinsätze inklusive Personalienfeststellung des Mannes auf der Polizeiwache und Anzeigen erlebt, weil der Mann eine Frau "unangemessen" angesprochen oder am Arm angefasst hat. Immer öfter werden ungebetene Flirts als sexuelle Belästigung bezeichnet und die Frau ruft die Polizei. In Deutschland sind immer mehr Männer deswegen sehr verunsichert und trauen sich kaum noch eine fremde Frau anzusprechen. Das ist hier in Brasilien garantiert anders! Brasilien ist das wohl flirtfreudigste Land der Welt. Keine Gelegenheit wird ausgelassen sich als Frau in Szene zu setzen und als Mann Komplimente oder auch erotische Angebote zu machen. Hier ist Flirten Volkssport und Spiel der Geschlechter im Alltag - als Selbstzweck, also mit offenem Ausgang. Für "gegenderte" Menschen gilt: wer sich nicht als Mann und nicht als Frau fühlen will sollte dem Land lieber fernbleiben. Denn hier gibt es nur zwei Geschlechter, dafür aber richtig mit Leib und Seele!
Deutsche werden respektiert und oft bewundert
Seit 30 Jahren, in denen ich praktisch komplett Brasilien bereise und nun hier wohne habe ich ausschließlich positives Feedback und Freundlichkeit in Bezug auf meine Herkunft erlebt, Freunde und Bekannte berichten dasselbe. Deutsche werden bewundert für ihre Kultur, Erfindungsgabe, Zuverlässigkeit, Kämpfertum, funktionierende Demokratie und Wirtschaftsleistung. Zum Glück wissen die wenigsten Brasilianer wie es aktuell wirklich um Deutschland steht…
Man ist hier jedenfalls als Deutscher sowohl als Tourist wie auch als Auswanderer gern gesehen und findet schnell Kontakte. Ich bin jahrelang als Student mit wenig Geld in Bussen quer durch das Land gefahren und wurde von jungen und alten, armen und reichen, städtischen und ländlichen Menschen eingeladen, bewirtet und irgendwo hin gefahren. Ich habe dabei 100% positive Erfahrungen gemacht und einen enormen Vertrauensvorschuss erlebt.
Deine eigene Mentalität
An dieser Stelle möchte ich den Blick vom fernen, exotischen Brasilien auf dich selbst richten. Wie offen, flexibel und anpassungsfähig bist du selbst? Ich erlebe leider immer wieder Deutsche (und auch andere Ausländer), die gerne auswandern wollen, aber sich in keinster Weise verändern oder anpassen wollen. Sie wollen lieber ihre Gewohnheiten, Umgangsformen, Essverhalten, Sozialverhalten, Musikgeschmack, Kunstverständnis, Sportarten bis hin zu Denkmustern und Kommunikationsverhalten etc. aus Deutschland mitnehmen. Sie wollen genau das Leben weiterführen, das sie in Deutschland hinter sich gelassen haben. Sie scheitern damit hier grandios oder werden dann die typischen Vertreter in deutschen Enklaven, die stets nur über die Bewohner und das Land, in das sie ausgewandert sind schimpfen. Solche Menschen sind sehr unangenehm und sollten besser nach Deutschland zurückkehren. Im Klartext: wer nicht bereit ist sich zu verändern und auch zu integrieren in die brasilianische Kultur und Lebensweise sollte bessser daheim bleiben. Und ja: es gibt viele positive Aspekte der brasilianischen Kultur, aber natürlich auch Schattenaspekte und Nerviges - das ist aber immer so. In unserem bilingualen Bio-Dorf wollen wir keine deutsche Enklave sein, sondern streben eine gegenseitige Bereicherung der deutschen und brasilianischen Kultur an.
"Parken verboten - lebenslang"
Nur wer bereit ist sich stets zu verändern, weiter zu entwickeln und zu lernen wird in einem anderen Land und einer anderen Kultur zurechtkommen.
Wenn du (oder ihr) überlegt nach Brasilien auszuwandern, dann solltest du dir folgende Fragen stellen:
Mag ich die brasilianische Kultur und Lebensweise?
Bin ich bereit Portugiesisch zu lernen?
Will ich meine Essensgewohnheiten umstellen?
Bin ich bereit mich teilweise anzupassen und zu integrieren?
Und bin ich auch bereit liebgewonnen Gewohnheiten aufzugeben?
Bin ich bereit mein eigenes Wertesystem zu hinterfragen und auch zu erweitern?
Weiterlesen: Sicherheit und Gefahren