Um das brasilianische Schulsystem zu verstehen braucht es zunächst ein par Erklärungen zur politischen Organisation des Landes. Brasilien hat insgesamt 26 Bundesstaaten, die eine recht große Autonomie haben, ähnlich wie in den USA. Die Macht des Präsidenten und der Regierung ist also schon allein deshalb eingeschränkt, denn der Gouverneur jeder Bundesstaates hat eigene Befugnisse.
Auch in Bezug auf das Schulsystem, also Organisation, Lehrpläne, Gehälter etc. gibt es eine grosse regionale Autonomie.
Grundsätzlich gibt es zwei Systeme: die staatlichen und die (weit verbreiteten) privaten Schulen.
Staatliche Schulen
Das staatliche Schulsystem ist kostenlos, genau wie das Gesundheitssystem. Das Niveau des Unterrichts, der Didaktik und auch das Ausbildungsniveau der schlecht bezahlten Lehrer ist aber schlicht sehr bescheiden. Die Schüler lernen an schlecht ausgerüsteten Schulen mit "urzeitlicher" Didaktiv fast nichts, ausserdem fällt der Unterricht oft aus. Inhaltlich geht es vor allem um Disziplin, Anpassung und stures Auswendiglernen, nicht um selbstständiges Denken und oder VErinnerlichung der Lehrinhalte.
Privatschulen
Private Schulen gibt es in Brasilien in großer Vielfalt. Für alle mus ein - teils nicht unerhebliches - Schulgeld bezahlt werden. Das betrifft wissenschaftlich, künstlerisch oder auch religiös orientierte Schulen, Waldorfschulen oder weitere Konzepte. Insofern findet man an privaten Schulen fast ausschliesslich Kinder aus der Mittelschicht, an exklusien Privatschulen auch der Oberschicht.. Viele Familien sparen sich mühsam das Geld für die Kosten einer Privatschule sowie für Schulmaterialien und fast überall vorgeschriebene Schuluniform ab. Eine generelle Aussage zu den sehr unterschiedlichen Privatschulen macht wenig Sinn. Das Einzige, was man aber sicher sagen kann ist das insgesamt höhere Ausbildungsniveau, bessere Schulgebäude und Materialien im Vergleich zu den Staatsschulen. Die Gründung einer eigenen Schule ist in Brasilien - im Gegensatz zu Deutschland - wesentlich einfacher, da es weniger bürokratische Hürden gibt.
Schulpflicht
Offiziell herrscht in Brasilien Schulpflicht, es gibt eine Gesetzesinitiative das Homeschooling oder auch Freilernen zu legalisieren. Denn praktiziert wird es bereits vielfach. Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland existiert die Schulpflicht nur auf dem Papier. In der Praxis wird dies nicht überprüft und mir ist kein Fall bekannt, in dem die Polizei die Kinder zwangsweise in die Schule abführt wie in Deutschland.
Übrigens: das Benotungssystem ist in Brasilien anders als in Deutschland: es gibt die Noten 1 -10, wobei 10 die höchste Leistungsbewertung darstellt.
Foto: Jiu Jitsu und Muay Thai Gruppe im Dorf. Auch das ist Schule.
Allgemeine Schulbildung
Die "Educação básica" hat eine Dauer von 11-12 Jahren und umfasst sowohl die Grundschule ("1°Grau, Primeiro Grau, Ensino Fundamental") als auch die allgemeine Sekundarschule ("2° Grau, Segundo Grau, Enseno Médio"). Für die ersten 9 Jahre ("1°Grau, Primeiro Grau, Ensino Fundamental") besteht eine offizielle Schulpflicht. Fakt ist aber, dass auch heute noch viele Kinder aus der Unterschicht unregelmäßig zur Schule gehen oder die Schule vorzeitig abbrechen. Am Ende erhalten die Schüler das Abschlusszeugnis "Certificado de Conclusão de 1° Grau/Certificado de Conclusão de Ensino Fundamental", welches die Zugangsvoraussetzung für die Sekundarschule ("2° Grau, Segundo Grau, Enseno Médio") darstellt. In manchen Sekundarschulen muss zusätzlich auch eine Aufnahmeprüfung bestanden werden. Die Sekundarschule hat eine Dauer von 3 Jahren. Am Ende erhalten die Schüler das Abschlusszeugnis "Certificado de Conclusão do 2° Grau/Certificado de Conclusão de Ensino Médio". Dies entspricht in etwa dem deutschen Abitur.
Hochschulen
In Brasilien werden in 150 Universitäten aktuell etwa 2,8 Millionen Studenten unterrichtet. Die zahlreichen privaten Hochschulen haben trotz hoher Studiengebühren oft kein großes Renommée, da sie meist ganz auf die Lehre ausgerichtet sind, keine Forschung betreiben und ihre Professoren häufig verhältnismäßig geringe akademische Qualifikationen haben. Auch um die meist sehr hohen Studiengebühren zu sparen, versuchen die meisten Brasilianer an eine der kostenlosen öffentlichen Universitäten zu gelangen. Die Bewerberzahl für das Studium übersteigt meist bei weitem die Anzahl der vorhandenen Studienplätze. Bewerber bereiten sich deshalb nach dem Schulabschluss oft mit sogenannten cursinhos auf die Aufnahmeprüfung (vestibular) vor, die von privaten Bildungseinrichtungen angeboten werden und dementsprechend kostenpflichtig sind. Wegen des großen Konkurrenzkampfes um einen Studienplatz sind hier die Eingangstests an den staatlichen Hochschulen besonders schwierig, so dass die privaten Hochschulen den Ruf haben, weniger begabte, aber reiche Studenten aufzunehmen. Hohes Ansehen genießen unter den privaten Hochschulen allerdings die katholischen Pontifícias Universidades Católicas (PUC), die es in fast jeder größeren Stadt gibt.
Wie haben ein sehr anderes Verständnis von Schule, Bildung und zu vermittelnden Fähigkeiten, um eine gesunde, glückliche, erfolgreiche und nicht zuletzt beziehungsfähige Persönlichkeit mit eigenen Werten und Charakter zu entwickeln. Das staatliche Schulsystem, weder in Deutschland, noch in Brasilien oder anderwo trägt dazu bei - im Gegenteil. Hier kannst du über unseren Ansatz der "Erziehung zur Freiheit" in unserem Bio-Dorf Projekt lesen: